Im Februar 2009 besuchten wir Aue Profi Rene Klingbeil für ein Exklusivinterview für die Homepage des SV Fortschritt Glauchau spricht. Darin sprach er über seine fußballerischen Wurzeln, einen Ghettoblaster in der Kabine des FCE und die Meisterschaftschancen der TSG 1899 Hoffenheim.
Fortschritt zu Gast bei Rene Klingbeil vom FC Erzgebirge Aue
Rene, Du warst bei Gladbach, beim HSV und bei Viking Stavanger in Norwegen, um die letzten Stationen Deiner Karriere zu nennen – Was hat Dich ins schöne Erzgebirge verschlagen?
Wie du schon gesagt hast, waren wir ein Jahr in Norwegen und es war auch eine sehr interessante Erfahrung so einen Auslandseinsatz zu haben. Den möchte ich auch auf keinen Fall missen. Ich hatte sogar die Möglichkeit nochmal zwei Jahre in Stavanger zu unterschreiben. Die haben ja einen deutschen Trainer, den Uwe Rösler und der wollte mich unbedingt halten. Er hatte selber noch zwei Jahre Vertrag und hat gesagt, solange er da ist, würde er auch gern das ich dort spiele. Aber wir haben dann in der Familie entschieden, dass wir gern nach Deutschland zurück wollen. Mir war auch klar, ich bin 27 und wenn ich dann nochmal zwei Jahre unterschreibe bin ich 29 und da hatte ich auch ein bisschen Angst, dass ich irgendwo im skandinavischen Fußball ende. Das ich mal nach Schweden gehe oder Finnland, eventuell Dänemark, aber nicht irgendwie zurückkomme. Wir wollten unbedingt zurück und dann ergab sich das mit Aue. Der Trainer hat noch irgendwo auf der Position hinten gesucht. Dann haben wir uns das überlegt, haben gesagt, ok, dritte Bundesliga ist vielleicht nochmal ein Sprungbrett um sich auch nochmal für höhere Aufgaben zu zeigen und so ist das dann zustande gekommen. Es ging dann auch ganz schnell. Er hat mich angerufen, dann konnte ich mir das über das Wochenende überlegen und dann haben wir am Montag nochmal telefoniert und dann bin ich schon hergefahren. Also das ging Ruck Zuck.
Hast Du manchmal Probleme die sächsische Sprache, den Dialekt zu verstehen?
Also den Hensel (gemeint Marc Hensel Anmerkung d. Red.), den verstehe ich manchmal gar nicht, der ist ja hier aus Dresden, da ist es ja ganz schwierig. Und unser Nachbar, der kann das auch ganz gut und auch die Eltern der Familie, gerade die Oma, also wenn wir da mal zu Gast sind, das ist schon schwierig zu verstehen teilweise. Aber da gewöhnt man sich auch dran. Das ist immer noch einfacher, als wenn man den ganzen Tag Englisch sprechen muss wie in Norwegen. Das war dort die zweite Landessprache.
Wie empfindest Du die Ostderbys gegen Dresden, Jena, oder Erfurt? Haben diese Derbys für Dich einen ganz speziellen Reiz?
Ich habe das jetzt so wahrgenommen: Das ist wie Leben und Tod. Man kann jedes Spiel verlieren außer ein Spiel gegen Dresden, was wir jetzt gerade hatten. Das wird einem schon sehr, sehr übel genommen. Das merkt man schon. Es ist auch eine ganz schöne Brisanz drin. Zum Glück gab es jetzt auch keine Ausschreitungen. Wo wir in Dresden waren, ist ja zum Glück alles friedlich abgelaufen. Aber man merkt schon, dass es was Besonderes ist, gerade gegen Dresden. Jena habe ich noch nicht gespielt, da war ich noch nicht da gewesen. Da bin ich auch gespannt, wenn wir das Nachholspiel haben. In Erfurt war auch Brisanz drin. Aber Dresden war ein ganz beklopptes Ding. Aber ich mein das macht auch Bock: Viele Zuschauer da und dann gucken wir einfach, dass wir das beim nächsten Mal für uns entscheiden.
Verspürst Du einen besonderen Druck oder Anspannung vor solchen Derbys im Vergleich zu anderen Spielen?
Bei mir persönlich glaube ich nicht mehr so, weil ich jetzt das ganze auch schon ziemlich gut kenne. Aber ich glaube schon, dass einige Spieler von uns bei dem Dresden Spiel sehr angespannt waren, das hat man schon gemerkt. Wir hatten auch viele junge Spieler bei uns in der Truppe und den Druck hast du bei einigen schon gesehen. Aber das sind auch Erfahrungen, die gerade junge Spieler machen müssen und ich meine, das ist natürlich auch eine gute Bühne, wenn gegen Dresden mal so richtig Druck da ist, dass man das für später mal alles lernt.
Der FCE steht momentan auf dem 13. Tabellenplatz in der 3. Liga. Wo willst Du kurz- und langfristig mit dem FCE hin? Was willst Du erreichen mit dem Verein?
Kurzfristig hab ich so die Zielrichtung auf den 7 und langfristig natürlich Aufstieg. Also das muss man ja auch irgendwo als Ziel haben. Man kommt ja nicht her um fünf oder sechs Jahre dritte Liga zu spielen. Die Mannschaft ist gut, die hat Potential, sie muss sich natürlich noch finden, das ist jetzt das erste Jahr das wir so zusammen spielen. Die Liga kannte vorher auch noch keiner. Das ist jetzt das erste Mal, dass diese 3. Liga so spielt. Das ist glaube ich auch das Ziel vom Verein und viele Spieler wünschen sich das auch. Im nächsten Jahr wollen wir das schon anpacken. Dieses Jahr müssen wir schauen, wir sind total schlecht gestartet, haben zwischendurch mal einen Aufschwung gehabt, jetzt ist es wieder ein bisschen abgeknickt. Jetzt müssen wir gucken das wir uns finden und das Ding sauber zu Ende spielen. Am besten noch weiter nach oben kommen, dann uns sammeln und nächste Saison dann Vollgas zum Aufstieg. Und dann ist es ja auch so, wenn wir einmal in der zweiten Liga sind, dann kommen wir so schnell auch nicht mehr runter, weil dann gibt es ja jetzt diesen Relegationsplatz und da sollen sie uns dann erst mal hier im Erzgebirgsstadion schlagen. Ich denke wenn du einmal in der zweiten Liga bist, dass du dich dann auch über Jahre halten kannst.
Uns „Freizeitkicker“ aus Kreisklasse und Kreisliga interessiert, wie Du Dich für jedes Spiel motivierst. Gibt es Rituale oder Angewohnheiten, die Du Dir angeeignet hast über die Jahre?
Das ist eine gute Frage (überlegt). Eigentlich gar nicht so viel. Ich mache mir erst den linken und dann den rechten Schuh zu. Und was auch noch ist: Erst mit dem rechten Bein das Spielfeld betreten. Aber sonst eigentlich nicht so viel. Früher war das vielleicht noch ein bisschen mehr gewesen. Wenn man nicht zu aufgeregt ist, ist das sehr hilfreich. Wenn man ein bisschen kühlen Kopf behält kann man glaub ich auch besser spielen.
Zur Spielvorbereitung und Motivation: Gibt es Hinweise oder Tipps die Du uns mit auf den Weg geben kannst?
Was wir jetzt so ein bisschen eingeführt habe ist, dass wir bei uns so einen Ghettoblaster in die Kabine stellen und die Mucke, die wir im Moment gern hören, hauen wir dann voll auf, außer kurz bei der Besprechung, da ist das Ding natürlich aus. Aber danach geht das Ding wieder so laut wie es geht. Also das macht schon heiß.
Was hört ihr da?
Viel so House Musik.
Kein aggressiven Metal?
Naja ok, AC/DC zwischendurch auch mal, aber ansonsten House Musik und dann schön laut. Und „Eye of the Tiger“ hör ich manchmal noch.
Schaust Du Dir auch ab und zu Spiele der unteren Ligen an?
Ja doch. Ich habe einen Kumpel der spielt in Hamburg, der spielt ein bisschen unterklassiger. Da habe ich viele Spiele gesehen. Ich habe noch einen Kumpel in Köln, der hat eine Zeit lang auch Kreisliga gespielt, da habe ich auch ein paar Spiele geguckt. Ich habe bei denen sogar schon mal mit trainiert. Das darf gar keiner wissen. Da hatte ich mal frei und da haben die trainiert, da habe ich dort mal mitgemacht auf einem Schotterplatz – überragend. Ich will außerdem unbedingt mal ein Spiel von meinem Nachbarn sehen. Der spielt bei Affalter und da habe ich schon lange mal gesagt, dass ich mir ein Spiel angucke. Und das werde ich demnächst dann machen.
Was glaubst Du macht den Fußball auf Bezirks- und Kreisebene besonders aus, was macht ihn interessant? Was ist charakteristisch für diesen Fußball?
Ich glaube, dass sind wirklich elf Freunde die da auf dem Platz stehen. Es sind einfach mehr Kumpels, die auch so in der Freizeit mehr machen zusammen. Das war wie bei unserem Nachbarn, wenn die dann mal in den Skiurlaub fahren, dann ist das meistens gleich die ganze Fußballtruppe. Weil es einfach Kollegen sind. Neulich hat hier einer ein Angebot gehabt, eine Liga höher zu spielen, den hätten sie fast auseinander genommen, wenn der das gemacht hätte. Das geht halt nicht. Ich denke das macht das so ein bisschen mehr aus. Wenn du jetzt erste, zweite, dritte Liga spielst dann ist das dein Job und du hast in der Freizeit nicht soviel mit den Anderen zu tun, was manchmal schade ist, aber es ist einfach so. Ich denke das macht das in den unteren Ligen aus, das man nach dem Training, nach dem Spiel noch zusammen sitzt und ein Bierchen trinkt und ein bisschen quatscht oder geht auch mal in die Spur.
Hast Du große Veränderungen bezüglich Trainingsmethoden durch Deine Vereinswechsel erfahren oder macht doch jeder Trainer am Ende die gleichen Übungen?
Die Trainings sind komplett verschieden. Von Verein zu Verein. Jeder legt Wert auf bestimmte Dinge und die werden dann halt durchgezogen. Und wenn man dann den Verein wechselt, kann das sein, dass das alles andersrum ist. Also das hab ich jetzt oft erlebt.
Welche Übung ist für Dich persönlich am effektivsten, also bringt am meisten im Bezug auf Dein Spiel?
Ich finde die besten Trainingseinheiten sind die, wenn man eine Ball reinschmeißt und Fußball spielt. Ich mein man kann immer alles üben, mit Passfolgen und Krafttraining und Flankentraining, aber wenn wir zwei Mannschaften wählen und dann dreimal zehn Minuten und da hast du im Grunde alles drin. Du hast Freistöße drin, du hast Ecken drin, du hast Flanken drin du hast Zweikämpfe, Passfolgen, kurze Bälle, lange Bälle. Das glaube ich, ist immer noch am effektivsten. Man ist kaputt, man geht nach Hause, hat was getan und das bringt mich persönlich weiter als ganz spezielle Trainingsmethoden.
Welche Übung könntest Du auch für uns empfehlen?
Kreisspielen zum Beispiel. Das merke ich bei uns auch. Entweder du geigelst nur machst Tunnel, oder ein bisschen Hacke, oder du spielst das dann ernsthaft. Wenn du das ernsthaft spielst bringt das natürlich auch was. Oder zum Beispiel in Hamburg, beim Toppi, Klaus Toppmöller, der hat fast ausschließlich im Training Fußball spielen lassen. Mal auf engerem Feld, mal auf größerem. Das hat eigentlich viel gebracht, weil da halt auch alles drin ist. Und wenn das dann natürlich wie in Hamburg ist, dort hat jeder Spieler eine gewisse Klasse, dann hast du auch einen wahnsinnigen Spielfluss drin und das bringt dann schon was.
Nochmal ein bisschen in die Vergangenheit blickend: Wolltest Du schon immer Fußballprofi werden? Und haben Dich Deine Eltern unterstützt?
Mein Vater hat mich schon unterstützt und auch teilweise getrietzt. Also der hat schon gesagt: „Junge zieh das durch“. Da war er schon wirklich dahinter und da bin ich ihm auch dankbar für. Als kleiner Steppke denkt man ja: „ Ach komm, andere Sachen sind auch mal ganz interessant.“ Aber er hat schon die Richtung gezeigt und es ist ja auch was dabei rausgekommen.
Wo hast du angefangen als kleiner Junge?
Beim Marzahner SV. Das ist in Berlin. Das war ein ganz kleiner Club. Das ist so eine schöne Plattenbau-Gegend und zwischen diesen Plattenbauten war ein kleiner Kunstrasenplatz und da war der Verein. Die 1. Männer haben auch Kreisliga gespielt. Aber die C-Jugend damals, ich bin ja erst zur C-Jugend eingestiegen, die hat in der höchsten Klasse in Berlin gespielt. Ich hab da Probetraining gemacht und musste so ein Spiel mitmachen. Ich habe vorher nur auf der Straße geboltzt und dann haben die angefangen mit Abseits und nach dem Tor muss man Anstoß machen und sowas, das kannte ich gar nicht. Da musste mein Trainer mich damals immer zurückpfeifen, dass ich da nicht immer ins Abseits laufe. Also in der Jugendarbeit waren die eigentlich gar nicht schlecht. Aber nach oben hin sind dann immer wieder alle weg gegangen und dann kannst du oben natürlich nichts reißen.
Wurdest Du dort auch entdeckt?
Ich habe zwei Jahre dort gespielt und bin dann zum BFC Dynamo gegangen. Auf so eine Sportschule, dort war ich auch zwei Jahre und von dort aus dann nach Gladbach, dann dort auch nochmal zwei Jahre und dann Hamburg und Norwegen.
Wer war Dein Vorbild als kleiner Junge und hast Du aktuell auch einen Spieler den Du bewunderst?
Patrick Andersen war mal mein Vorbild, der hat bei Gladbach gespielt. Den fand ich super. Jetzt ist es David Jarolim, der ist stark, mit dem habe ich selber lange zusammen gespielt und der ist wirklich gut. Und Sergej Barbarez. Also mehr so Vorbilder, mit Spielern mit denen ich selbst auch zusammen gespielt habe. Wenn man sieht was die für eine Klasse haben und menschlich auch in Ordnung sind, dann kann man sich die auch als Vorbild nehmen. Sergej spielt zwar nicht mehr, aber Jaro, da kann man schon mal hingucken, da kann man schon aufschauen.
Wie sieht Dein Wochenende aus, wenn mal kein Fußball ansteht?
Shoppen gehen (lacht). Nein, ganz ruhig eigentlich. Wir haben ja unseren Hund hier. Wir sind dann auch mal ganz froh, wenn man wirklich ausruhen kann. Wir sind auch gar nicht mehr so die Discogänger. Das ist irgendwie total abgestumpft bei uns. Da sind dann eher so die anderen Jungs verantwortlich bei uns in der Truppe, die bisschen jünger sind. Wenn wir wirklich zwei Tage frei haben, dann fahren wir in unser Haus nach Hamburg. Das sieht eher so ein bisschen bieder aus mit Gartenarbeit und mit Hund gehen. So sieht dann mein Wochenende aus, wenn kein Fußball ist.
Was war für Dich in Deiner Karriere ein besonderes Highlight, welches Erlebnis wirst Du so schnell nicht vergessen?
Da gibt es eigentlich zwei Sachen die mir jetzt direkt einfallen: Das erste: Champions League Spiel. Das ist eigentlich das Non Plus Ultra. Da habe ich zwei Spiele gemacht. Eins in Porto und eins zu Hause in Hamburg und das ist schon ein absolutes Highlight in der Karriere, wenn man da mal gespielt hat, mit den besten aus ganz Europa. Das zweite Highlight ist eigentlich, dass wir mit Hamburg damals Dritter geworden sind und damit auch den Sprung in die Champions League Qualifikation geschafft haben. Auch ein großes Highlight war, dass wir mit dem HSV damals 2:1 gegen Bayern in der Allianz Arena gewonnen haben. Da bin ich in der 75. rein gekommen und da stand es noch 1:1. Da hat de Jong dann das 2:1 gemacht. Das war schon echt Hammer. Da haben wir die Bayern damals weggehauen und dann sind wir nach Hause gefahren und die haben uns gefeiert wie Helden. Auf dem Titelblatt waren die Köpfe abgebildet aller Spieler, die mitgespielt haben. Seit Jahren hatte Hamburg nicht mehr gegen Bayern gewonnen in München und das war schon geil. Das war vielleicht das größte Highlight das ich hatte.
Hast Du einen Traum, den Du Dir unbedingt noch erfüllen willst?
Träume soll man ja haben. Ich habe noch nie zweite Liga gespielt, das würde ich gern. Und wenn alles gut geht, dann natürlich auch nochmal erste Liga spielen.
Gibt es eine Schlagzeile die Du gern mal über Dich lesen würdest?
„Klingbeil schießt Tor zum Aufstieg“ – Das ist meine Schlagzeile.
Zum Abschluss: Wer glaubst Du wird deutscher Fußball Meister 2009? Und was hältst Du vom Aufstiegswunder TSG Hoffenheim?
Die TSG Hoffenheim wird Meister dieses Jahr. Die machen das so wie Lautern damals. Die kriegen das hin. Die haben einfach so einen Lauf das kann gar nicht schief gehen.
Vielen Dank an René Klingbeil für das Gespräch.
Das Interview führte Markus Elbers.